Die Universität und das Priesterseminar von Maynooth, Juwelen in der Krone der Grafschaft Kildare, sind nicht nur ein Genuss für jeden Besucher, sondern – wie könnte es anders sein - haben auch eine faszinierende Geschichte.
Kildare, eine der elegantesten Grafschaften Leinsters, hat viele Juwelen in ihrer sprichwörtlichen Krone - die Japanischen Gärten, das irische Nationalgestüt, den Donadea Forest Park und Castletown House. Doch nur wenige strahlen so hell wie die geschäftige Stadt Maynooth. Was viele nicht wissen: das Irland, das wir heute kennen, wurde sehr stark von Ereignissen geprägt, die sich vor langer Zeit genau hier in der Stadt Maynooth abgespielt haben.
Maynooth Castle – eine beliebte Touristenattraktion Irlands
30 km von Dublin entfernt, schlummert die Burgruine aus dem 13. Jahrhundert unmittelbar am Eingang zum Südcampus der Maynooth University. Einst an der Kreuzung zweier Bäche erbaut, war sie der Sitz der Familie Fitzgerald. Jene Fitzgeralds, die später als Grafen von Kildare eine der mächtigsten Familien Irlands wurden. Heute ist die Burg irisches Kulturerbe. Eine Ausstellung über die Geschichte von Maynooth Castle und die Familie Fitzgerald ist im Besucherzentrum zu sehen.
Kurzer Ausflug in die irische Geschichte
Wir reisen kurz zurück ins 16. Jahrhundert. Am besten kann man die damalige englische Regierungsform begreifen, wenn man sich drei Einflusszonen vorstellt. In England herrschte der englische König, dies ist die innere Zone. Weiter westlich auf der anderen Seite des Meeres in Irland, in dem Gebiet, das Nord-Kildare und Ländereien nördlich und südlich, aber nicht sehr weit westlich umfasst, haben wir eine Art Pufferzone – Pale genannt. Hier regierte Lord Deputy Fitzgerald im Namen des englischen Königs. Es war eine Art Franchise, bei der Fitzgerald die Marke und die Autorität der englischen Monarchie nutzen, aber weitgehend frei nach eigenem Gutdünken regieren konnte. Die äußere Zone umfasste den Rest Irlands außerhalb der Pale-Zone, im Grunde den Wilden Westen, der von den lokalen irischen Clans regiert wurde.
Je stärker die Fitzgeralds wurden, desto brüchiger wurden ihre Beziehungen zum englischen König. Eine Verkettung unglücklicher Ereignisse führte schließlich zu einem entsetzlichen Ende. Die Zeit der Fitzgeralds auf der Burg endete mit der Rebellion von Thomas Fitzgerald (Silken Thomas). Eine englische Streitmacht beschoss die massive Burg im März 1535, wobei die schweren, modernen Belagerungsgeschütze der englischen Armee den größten Teil des mittelalterlichen Gebäudes in Ruinen verwandelten. Die Burg fiel nach 10-tägiger Belagerung und die Garnison wurde in der Folge samt und sonders vor dem Burgtor hingerichtet. Kurz danach konnte man Silken Thomas gefangen nehmen. Zusammen mit seinen fünf Onkeln brachte man ihn in den Tower of London. Am 3. Februar 1537 wurden sie in Tyburn wegen Hochverrats hingerichtet
Wie konnte es dazu kommen?
Fehler Nummer 1: Der englische König Henry lag wegen der geplanten Annullierung seiner Ehe mit dem Papst in Streit. Die katholischen Fitzgeralds waren nicht begeistert und Henry lässt Gerald nach London in den Tower bringen. Wie loyal stehen die Fitzgeralds noch zur englischen Krone? Vorsichtshalber übertrug Gerald vor seiner Abreise das Amtsschwert auf seinen Sohn Thomas.
Fehler Nummer 2: Thomas, auch bis dato bereits ein Unglücksrabe, glaubt den Gerüchten, sein Vater Gerald sei vom König hingerichtet worden. Wutentbrannt sammelt Thomas ein Söldnerheer und reitet nach Dublin, um das Staatsschwert niederzulegen und sich von der englischen Krone loszusagen.
Fehler Nummer 3: Der englische König ist ebenso wutentbrannt und schickt eine Armee. Jetzt gerät alles außer Kontrolle. Die anderen normannischen Barone halten sich bedeckt und unterstützen Silken Thomas nicht. Schlimmer noch, seine Wachen verraten ihn. Das Maynooth Castle fällt in die Hände der Engländer. Thomas kapituliert und hofft auf gute Behandlung, die man ihm wohl versprochen hatte. Daraus wird nichts. Thomas und seine fünf Onkel werden in London gehängt. In der Nacht, bevor Thomas sich stellt, soll er sich ein letztes Mal unter einen Eibenbaum gesetzt und Laute gespielt haben, siehe „der älteste Baum Irlands – Silken Thomas Yew“.
Wie kam Thomas zu seinem Spitznamen „Silken Thomas“?
Thomas Fitzgerald, der zehnte Earl of Kildare, wurde wegen seiner extravaganten Kleidung und der Seidenquasten an den Uniformen seiner Leibwächter auch Silken Thomas genannt. Man könnte ihn aber besser als "Kalamity Thomas" bezeichnen, da vieles, was er tat ungeschickt, verwirrend und von Unglück geprägt war.
Der älteste Baum Irlands
Auf dem Campus des Maynooth College steht noch immer eine Eibe, die zur Zeit der Kreuzzüge gepflanzt worden sein soll, den Hundertjährigen Krieg, den Fall von Konstantinopel, die Renaissance, die Reformation, das Zeitalter der Aufklärung und die Entstehung der Neuzeit überlebt hat. Das Tree Council of Ireland hat diese Eibe zum ältesten einheimischen Baum Irlands erklärt. Die als Silken Thomas Yew bekannte Eibe ist die letzte einer Eibenreihe, die zur Zeit des Baus von Maynooth Castle im 12. Jahrhundert gepflanzt worden war.
Wie ging es mit den Fitzgeralds weiter? Man könnte meinen, das sei das Ende der Fitzgeralds of Kildare gewesen. Tatsächlich wurden ihre Ländereien und Titel aber nur eine Generation lang beschlagnahmt. Einige Jahre später tauchen die Fitzgeralds wieder auf, vollständig rehabilitiert und wieder in der Gunst eines neuen englischen Königs. Wie die älteste Eibe wachsen und gedeihen sie weiterhin prächtig in den Ebenen um Maynooth. Im 17. Jahrhundert wird das Maynooth Castle restauriert. George Fitzgerald, 16. Graf von Kildare zieht ein. Doch bereits wenige Jahre später fällt das Castle dem elfjährigen Krieg zum Opfer. Nur das Torhaus, an dem man heute noch die vereinigten Wappen der Boyles (Earl of Cork) und der Fitzgeralds sehen kann und der Solar Tower blieben erhalten. Nun verlassen die Fitzgeralds Maynooth Castle endgültig. Kilkea Castle wird zunächst ihr Familiensitz, später lassen sie das nahegelegene Carton House zu einem prächtigen Landsitz ausbauen; von da an Sitz des Herzogtums Fitzgerald von Leinster.
Irlands Maynooth College – einst das größte Priesterseminar der Welt
Wenn man über den ruhigen und malerischen St. Joseph's Square schlendert, kann man sich kaum vorstellen, wie sehr um dieses Priesterseminar gekämpft wurde. Aufgrund der strengen Strafgesetze waren die katholischen Priester Irlands 200 Jahre lang gezwungen, ihre Ausbildung an Hochschulen in Frankreich, Spanien, Portugal, Italien und den Niederlanden zu absolvieren. Das Maynooth College wurde 1795 als Priesterseminar gegründet und war um 1850 das größte Priesterseminar der Welt. Im Laufe seiner Geschichte hat es mehr als 11.000 Priester geweiht.
Bloß keine revolutionären Gedanken in Irland
Die Französische Revolution in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts erschütterte Europa zutiefst. Die irischen Bischöfe befürchteten, dass die auf dem Kontinent studierenden Priester von den Idealen der Revolution beeinflusst werden könnten, und baten die britische Regierung - die Irland zu dieser Zeit besetzt hielt - diese Ausbildung in Irland zuzulassen. Großbritannien, das sich im Krieg mit Frankreich befand, war bestrebt, die irisch-katholische Unzufriedenheit zu beschwichtigen und stimmte zu.
Das ehrgeizige Projekt wurde dann über die Priesterstudenten hinaus auf katholische Laien ausgedehnt, und 1795 wurde das Maynooth College gegründet. Zu den ersten Mitarbeitern gehörten mehrere französische Gelehrte, die vor der Revolution geflohen waren. In den 1820er Jahren dominierten die Maynooth-Priester den irischen Klerus und bildeten das Rückgrat der Kampagne von Daniel O'Connell für die katholische Emanzipation.
Nach der Auflösung der irischen Kirche im Jahr 1871 erlangte das St. Patrick's College seine Unabhängigkeit, und gegen Ende des Jahrhunderts wandelte es sich erneut und wurde zu einer Päpstlichen Universität.
Was das Personal und die Studenten betrifft, so hat das St. Patrick's College einen berühmten Ehemaligen. Pater Nicholas Joseph Callan aus der Grafschaft Louth war hier ab 1834 Professor für Naturphilosophie, ist aber vor allem für seine Arbeit an der Induktionsspule bekannt - eine Art elektrischer Transformator, der Hochspannungsimpulse aus einer Niederspannungs-Gleichstromversorgung erzeugt. Zwischen den 1880er und 1920er Jahren wurde sie in Röntgenapparaten, Funkenstrecken-Radiosendern und Bogenlampen eingesetzt.
Das National Science Museum, das sich ebenfalls auf dem Campus befindet, beherbergt Artefakte aus Callans Forschung. Darüber hinaus sind auch nichtwissenschaftliche Gegenstände ausgestellt, darunter von Kaiserin Elisabeth von Österreich geschenkte Gewänder und die Totenmaske von Daniel O'Connell.
Zu den früheren Lehrkräften des Colleges gehören der Dramatiker Frank McGuinness, der Englisch unterrichtete, und Éamon de Valera, der ehemalige Präsident Irlands, übrigens auch ein recht passabler Rugby-Spieler, der 1912 Mathematik und mathematische Physik unterrichtete - und vier Jahre später nach dem Aufstand hierher flüchtete. Zu den ehemaligen Studenten gehört der Nobelpreisträger John Hume.
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