Boycott - gewaltloser Widerstand in Irland
- lisalinas6
- 3. Okt.
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Die Episode, die Charles Cunningham Boycott seinen festen Platz in der Geschichte Irlands und in den Wörterbüchern weltweit einbringt, ist eine bunte Mischung aus Farce und Tragödie, die so viele Teile der anglo-irischen Geschichte kennzeichnet. Boycott ist eigentlich nur ein gewöhnlicher Mann mit einer abstoßenden Persönlichkeit, doch er macht Geschichte, aber hallo!
Zunächst ist Captain Boycott nur ein unbedeutender Offizier in der britischen Armee. Später, im Jahr 1880, wird er als Gutsverwalter auf den Ländereien des Earl Erne auf der Insel Achill, County Mayo, angestellt. Boycott eilt bereits ein Ruf als Menschenschinder voraus und er macht auch in seinem neuen „Job“ keine Ausnahme. Der ehemalige Captain der britischen Armee gerät dabei 1880 zwischen die Fronten des in Irland tobenden Land War (Krieg um Land).

Kurzer Schlenker zu den Hintergründen
Grund und Boden auf der grünen Insel gehören zu jener Zeit englischen, meist protestantischen Großgrundbesitzern. Bearbeitet wird das Land von nahezu rechtlosen, in der Regel katholischen Pächtern, die den Schikanen der reichen Landlords hilflos ausgeliefert sind. Bereits in seinem ersten Amtsjahr drangsaliert Boycott offenbar mit großem Vergnügen seine armen Bauern. Seine Lordschaft und seine Handlanger treiben bei den Pächtern saftige Mieten ein, die, wenn sie nicht gezahlt werden, zu gewaltsamen Vertreibungen von Großfamilien führen. Elf Familien verlieren durch Boycott und seine Lordschaft ihre Existenz und ihr Dach über dem Kopf.

Dann Auftritt des „ungekrönten Königs“ Irlands Charles Stewart Parnell. Parnell und seine Irish Land League stellen einen Plan für gewaltlosen Widerstand vor: Den Täter ächten, gewaltlos Widerstand leisten. Gesagt, getan. Niemand will mehr für Boycott arbeiten, noch etwas von ihm kaufen oder an ihn verkaufen. Er bekommt nicht einmal mehr seine Post zugestellt, seine Pferde bleiben unbeschlagen, seine Wäsche ungewaschen und sein Vieh wird nicht mehr mit der Eisenbahn transportiert. Ach so, ja, der fällige Pachtzins wird natürlich auch nicht gezahlt. Die Pächter und die örtliche Landbevölkerung stellen die Arbeit auf seinen Feldern ein, und die Angestellten des Anwesens, mit Ausnahme seines Jockeys (Boycott war ein leidenschaftlicher Reiter), verlassen massenhaft das Anwesen. Die Gemeinde tut sich zusammen, um Boycott zu isolieren: Sie sprechen nicht mit ihm und erkennen seine Anwesenheit nicht an, sie buhen ihn aus und spucken auf seine Schuhe.
Warum Boycott von Öffentlichkeitsarbeit auch keine Ahnung hatte
In einem Brief an die London Times beschwert er sich heftig, wie schlecht es ihm auf der grünen Insel ergehe. Vorhersehbar sorgt sein Brief in der Zeitung dafür, dass jetzt die ganze Welt von dem Fall und seinem schikanösen Verhalten erfährt. Im November 1880 benutzt die London Times erstmals den Begriff boycotting für diese Art des gewaltlosen Widerstands. Innerhalb von zwanzig Jahren wird das Wort in Wörterbüchern auf der ganzen Welt auftauchen. Doch zunächst ist es nun ein großes Thema für die internationale Presse. Englische Zeitungen sammeln Spenden, um Bauern aus Ulster anzuheuern. Eine Gruppe von circa 50 Ulster-Loyalisten melden sich freiwillig, um Boycott zu helfen, die Ernte einzubringen.
Das US-Blatt Brooklyn Eagle berichtet am 9. November 1880: "DUBLIN Vier Truppen von Husaren wurden heute Morgen um 2 Uhr mit Sonderzügen nach Ballinrobe entsandt. Vierhundert Infanteristen sind soeben in Ballinrobe eingetroffen und werden in der Nähe von Lough Mask ihr Lager aufschlagen. Diese Vorsichtsmaßnahmen werden im Hinblick auf die Absicht der Nord-Oranier getroffen, Arbeiter zur Ernte von Mr. Boycott, dem Agenten von Lord Erne, zu schicken, für den sich die örtliche Bauernschaft auf Betreiben der Land League weigert, zu arbeiten. Die Regierung wird eine kleine Truppe von Arbeitern schützen, weigert sich aber, irgendetwas zur Verfügung zu stellen, das einer bewaffneten Demonstration nahekommt, was mit Sicherheit einen Zusammenstoß provozieren würde."
Jetzt schicken immer mehr Zeitungen ihre Korrespondenten in den Westen Irlands, um über die Vorgänge zu berichten. Die 50 Oranier aus der Grafschaft Cavan müssen von einem Regiment der 19. königlichen Husaren bewacht werden, und mehr als 1 000 Männer der königlichen irischen Polizei werden zum Schutz der Erntehelfer eingesetzt. Der ganze Spaß kostet über 10 000 Pfund - Wert der Ernte: 500 Pfund. So etwas nennt man, glaube ich, unrentabel?
Das Ganze nimmt Fahrt auf

Unterdessen schlägt der örtliche Pfarrer, Pater O'Malley, vor, das Wort „Boykott“ zu verwenden, da „ächten“ für die Einheimischen ein zu kompliziertes Wort sei. „Sagen wir einfach ‚wir boykottieren ihn‘“, weist der Geistliche einen der Journalisten an. Der Ausdruck verbreitet sich rasch, auch nach Russland, wo „Boikitturovat“ zu einer beliebten politischen Strategie wird. „Wie ein Komet“, bemerkt der Schriftsteller George Moore, "ist das Wort ‚Boykott‘ auf einmal überall.
Im Dezember 1880 schreibt Boycott an Premierminister Gladstone. Er fordert eine Entschädigung in Höhe von 6000 Pfund für die Verluste, die er „aufgrund des Fehlens von Gesetzen im Westen Irlands“ erlitten habe. Erfolglos.
Im Jahr 1886 muss Boycott seinen Anteil an dem Haus und der umliegenden Farm verkaufen. Ohne Schutz und ohne Alternative klettern Boycott und seine Frau Annie in einen Sanitätswagen der Armee, begleitet von einer Truppe der 19. Husaren. Völlig entnervt verlassen sie klammheimlich Irland.
Der Boykott stärkt die Macht der Bauern dramatisch. Ende 1880 gibt es Berichte über weitere "Boykotte" aus ganz Irland. Die Ereignisse in Lough Mask hatten auch die Macht der Land League und die Popularität von Parnell als Anführer gestärkt. Die gewaltlose und erfolgreiche Aktion war eine der erfolgreichsten Taktiken, die jemals gegen die Briten in Irland eingesetzt wurden. Bereits lange vor Mahatma Gandhi wurde diese Art des gewaltlosen Widerstands in Irland "erfunden" und als erfolgreiches Druckmittel genutzt.
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