Irland, Castle Birr und eine weltbekannte Sternwarte
- lisalinas6
- 22. März
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Birr Castle ist nicht nur ein Schloss, sondern war einst auch das Zentrum astronomischer Beobachtungen. Ein Ort, wo sich Wissenschaft und Natur begegnen. Nebenbei ist Birr Castle Demesne auch einer der größten Gärten Europas, mit einer Fülle seltener Pflanzen, die von den Earls of Rosse auf ihren Reisen um die Welt in den letzten 150 Jahren gesammelt wurden. Mit Wissenschaftszentrum, tollem Spielplatz, Café etc. ist Birr Castle ein schönes Ausflugsziel für die ganze Familie. Seit 1620 ist das Schloss der Sitz der Familie Parsons. Nach ihnen hieß der Ort bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Parsonstown, bevor er in Birr umbenannt wurde. War der 1st Earl of Rosse überaus berüchtigt, dazu später mehr, so wird der 3. Earl of Rosse berühmt, denn er lässt den Leviathan bauen, 1845 das größte Teleskop der Welt - Durchmesser 183 cm, Brennweite ca. 16 m.
Das Teleskop und die Dampfturbine
Der (notgedrungen) schlichten Mechanik und den ungünstigen Witterungsbedingungen zum Trotz kann William Parsons, 3. Earl of Rosse sensationelle Beobachtungen machen. Bei 14 Galaxien stellt er eindeutig spiralige Strukturen fest. 224 weitere noch nicht bekannte Nebel werden erstmals von ihm beschrieben. Der Leviathan wurde erst 1917 mit der Inbetriebnahme des 100-Zöllers-Teleskops übertroffen. Die Hungersnot in Irland verhinderte zunächst eine regelmäßige Nutzung des Riesenteleskops bis 1879. Als es dann regelmäßig genutzt wurde, kamen Besucher aus aller Welt in die Sternwarte, darunter Charles Babbage und Napoléon Eugène, der kaiserliche Prinz. Es war in der Lage, mehr Licht einzufangen und weiter in den Weltraum zu sehen als jedes andere Teleskop zuvor. Der Leviathan bleibt bis etwa 1890 in Betrieb.
Mary Countess of Rosse, war eine Pionierin der Fotografie, und bemerkenswerterweise ist ihre Dunkelkammer samt Ausrüstung und Chemikalien im Schloss noch intakt erhalten. Der Raum blieb von 1908 bis zu seiner Wiederentdeckung im Jahr 1983 unangetastet.
Der jüngste Sohn des dritten Earl, Sir Charles Parsons, erfand die Dampfturbine und veränderte damit die Schifffahrt und die Welt für immer. Seine Dampfturbine wird heute Parsons-Turbine genannt. Parsons war auch der erste, der 1894 ein mit Dampfturbinen getriebenes Schiff baute, die Turbinia. Nach vielen Versuchen erreichte sie schließlich eine Geschwindigkeit von 34,5 Knoten, mehr als 4 Knoten schneller als jedes andere Schiff zuvor, sie war damit das schnellste Wasserfahrzeug ihrer Zeit. Mit einem Paukenschlag machte er sein Schiff 1897 bekannt, und zwar auf einer großen Flottenparade zu Ehren von Königin Victoria im Spithead nahe Portsmouth. Alle Schiffe, die ihn jagen und vertreiben wollten, hängte er dabei mühelos ab. Die Sache zahlte sich für ihn aus, denn schon im nächsten Jahr bekam er den Auftrag, einen Zerstörer zu bauen, der mit seinen Turbinen angetrieben werden sollte, die HMS Viper. Sie erreichte dann bis zu 36 Knoten, für diese Zeit eine unvorstellbare Geschwindigkeit. Die Turbinia steht heute in einem Museum in Newcastle upon Tyne, England, aber wir wollen nicht länger abschweifen. Das Wissenschaftszentrum auf dem Schlossgelände erzählt mehr über die Geschichte der Wissenschaft in Birr.

Die Burg und ein unrühmlicher 1st Earl of Rosse
Die Geschichte der Burg ist schnell erzählt. Sie beginnt mit einer normannischen Motte, die hier im späten 12. Jahrhundert errichtet wurde. Die Burg wird zur Hochburg der Familie O'Carroll, bis sie in den 1580er Jahren von den Ormond-Butlers gekauft wird. Im Jahr 1620 werden die (inzwischen verfallene) Burg und die dazugehörigen Ländereien an die Familie Parsons übertragen, die sie bis heute bewohnen.
Ein besonders seltsamer Zeitgenosse der Parsons ist Richard Parsons, 1st Earl of Rosse, er ist der erste Großmeister der irischen Großloge der Freimaurer und eines der Gründungsmitglieder des berüchtigten Hellfire Club. Parsons war für seine Streiche bekannt, die er besonders gern den Religiösen zufügte. Berichten zufolge empfing er seinen Nachbarn, den Geistlichen und Moralisten Dr. Madden, gerne völlig nackt. Im Alter von 39 Jahren holten ihn die Jahre der Exzesse ein. Es heißt, auf dem Sterbebett habe er noch einen Brief von Reverend Dr. Madden erhalten, darin aufgelistet seine Vergehen: "Huren, Spielen, Trinken, Randalieren, den Tag zur Nacht machen, seinen Schöpfer lästern, kurz gesagt, alle Arten von Bosheit."
Die Geheimniskrämerei der Hellfire-Club-Mitglieder sorgte für Gerüchte über satanische Rituale und Teufelsanbetung. Es heißt, Parsons selbst habe sich als König der Hölle bezeichnet, sich wie der geflügelte und gehörnte Teufel gekleidet, wenn er nicht gerade nackt seine Gäste empfing. Mehr Infos über den berüchtigten Hellfire Club und Richard Parsons sind hier zu finden: https://www.9lebenverlag.com/post/die-besten-wanderungen-in-dublin-montpelier-loop-trail-und-das-dunkle-geheimnis-des-hellfire-clubs
Im 17. Jahrhundert hält die Burg zwei Angriffen stand: 1641 Belagerung während der Rebellion der Irischen Konföderation und erneut 1689 während der Wilhelminischen Kriege. Im Laufe seiner langen Geschichte wurde das Schloss immer wieder erweitert, angepasst und umgestaltet, besonders vom 2nd Eard of Rosse, der sich 1800 enttäuscht nach der Verabschiedung des Act of Union zurückzieht. Der Graf war ein aktiver Gegner des Gesetzes. Nun "gothisiert" und modernisiert er das Schloss.

Das Wissenschaftszentrum
Die Familie Rosse war, wie wir sehen, eng mit der Wissenschaft verbunden. Der 4. Earl of Rosse betätigte sich wie sein Vater als Astronom. Insbesondere entdeckte er 1873 die Spiralgalaxie NGC 2 und konstruierte ein Thermometer zur Messung der Temperatur auf dem Mond. Das Teleskop ist natürlich das Herzstück des Wissenschaftszentrums, das auch einen Schatz anderer Geräte aus der Zeit um 1800 beherbergt, darunter astronomische Instrumente, Kameras, Fotografien und fotografische Ausrüstung.

Der Schlosspark
Der Schlosspark erstreckt sich über 100 Hektar und umfasst formelle und informelle Gärten, ein bedeutendes Arboretum und eine sehr umfangreiche Pflanzensammlung, die sich um die beiden Flüsse gruppieren, die durch den Park fließen. Es gibt hier über 1000 Pflanzen- und Baumarten, viele davon sehr selten, die alle sorgfältig katalogisiert wurden.
Öffnungszeiten, Parkplätze etc.
Das Wissenschaftszentrum ist ganzjährig geöffnet. Für einen Besuch von Birr Castle Demesne kann man locker 3 Stunden und mehr einplanen - es gibt viel zu sehen; nicht nur das riesige Teleskop. Das Schloss selbst kann innerhalb einer Führung besichtigt werden. Infos hier. Es gibt einen sehr schönen Spielplatz, ein Café und ausreichend Parkmöglichkeiten. Wanderwege von insgesamt 10 km Länge zum Genießen und Hunde (angeleint) sind erlaubt. Alle weiteren Infos hier: https://birrcastle.com/
Fazit: Birr Castle ist ein überaus lohnendes Ausflugsziel, laut Irish Independent's Reader Travel Awards 2022 und 2023 eine der 10 besten Attraktionen in Irland.
Wenn man schon "in der Gegend" ist, lohnen sich durchaus weitere Ausflugsziele wie

Clonmacnoise - eine alte Klosteranlage unweit von Shannonbridge, die Mitte des 6. Jahrhunderts vom Heiligen Ciaran gegründet wurde. Clonmacnoise wurde zu einem Zentrum der Religion und des Lernens. Gelehrte aus der ganzen Welt an, um es zu besuchen. Obwohl die Stätte heute eine Ruine ist, ist sie gut erhalten. Hier bekommt man u. a. drei Hochkreuze, eine Kathedrale, 7 Kirchen und 2 Rundtürme zu sehen. Das Besucherzentrum erläutert anschaulich die reiche Geschichte von Clonmacnoise.

Leap Castle liegt etwa 6 km nördlich von Roscrea in einem Ort namens Coolderry. Das Schloss hier wird oft als eines der gespenstischsten Ziele Irlands bezeichnet, und Fernsehsendungen wie Most Haunted haben hier über die Jahre gedreht. Es heißt, dass eine Dame in Rot nachts mit einer silbernen Klinge durch das Schloss streift, sie soll einst von den mörderischen O'Carrolls gefangen gehalten worden sein. Die Geschichte besagt, dass sie in der Burg ein Baby bekommen hat, das die O'Carrolls ermordeten. Ein weiterer Grund, warum es in Leap Castle spuken soll, ist eine düstere Entdeckung, die in den frühen 1900er Jahren gemacht wurde. Hinter einer Wand in der Kapelle wurde ein geheimes Verlies entdeckt, das Hunderte von menschlichen Skeletten enthielt. Es wird angenommen, dass die O'Carrolls die Menschen durch eine Falltür auf Stacheln fallen ließen, die in dem Verlies darunter ausgelegt waren. Wie auch immer, ein Besuch von Leap Castle ist eine lohnende Sache.
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