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Irland, Dublins düsterster Ort

  • lisalinas6
  • 7. Juni
  • 5 Min. Lesezeit
Irland, Dublin, Kilmainham Gaol innen

Das 1796 erbaute Kilmainham Gaol (oder Kilmainham Jail) nimmt in der irischen Geschichte einen einzigartigen Platz ein. Mehr als 100 Jahre lang waren hier diejenigen inhaftiert, die gegen die englische Besetzung Irlands kämpften, und viele von ihnen starben hier. Es ist ein düsterer, vielleicht sogar abschreckender Ort, doch hier ist der Grund, warum man ihn dennoch besuchen sollte. Während der Führung wird viel Wert darauf gelegt, das Gefängnis in seinen historischen Kontext zu stellen. Nach der Führung versteht man viel besser und tiefer, welche komplexen Kräfte die irische Nation geformt haben. Kurzum, es erschließt sich dem Besucher, wir Irland zur Republik Irland wurde.


Tragisch: Joseph Mary Plunkett und Grace Gifford

Irland, Dublin Gefängniskapelle Kilmainham Gaol

Eines der ergreifendsten Ereignisse, die in Kilmainham stattfand, war die Hochzeit von Joseph Plunkett, einem der Anführer des Aufstands von 1916, und der Künstlerin Grace Gifford. Grace, protestantisch getauft, nimmt, nachdem sie Plunkett kennengelernt hatte, Unterricht im katholischen Glauben. Im April 1916 lässt sie sich katholisch taufen und möchte am Ostersonntag desselben Jahres heiraten, also genau an dem Tag, an dem der Aufstand begann.

Als sie erfährt, dass ihr Verlobter hingerichtet werden soll, überredet sie die Behörden, die Hochzeit im Gefängnis stattfinden zu lassen. So werden die beiden am 3. Mai 1916 sieben Stunden vor Plunketts Tod in der kleinen Gefängniskapelle getraut. Am nächsten Morgen wird Joseph Plunkett planmäßig von einem Erschießungskommando erschossen. Grace lebte bis 1955 und heiratete nie wieder. Im Februar 1923 war Grace selbst ebenfalls während des Bürgerkriegs in Kilmainham in Haft. Die Haft dauerte drei Monate, in dieser Zeit bemalte sie die Wände ihrer Zelle, darunter ein Bild der Madonna mit Kind, das noch erhalten ist. Die Kapelle, in der sie ihren todgeweihten Joseph heiratete kann während der Führung besichtigt werden.

Bis heute ist die irische Ballade „Grace“, ein Monolog von Plunkett, der seine Liebe zu Grace und seine Liebe zur Sache der irischen Freiheit in den Stunden vor seiner Hinrichtung zum Ausdruck bringt, eine heimliche Nationalhymne. Die Ballade wurde von vielen Künstlern gecovert, u. a. auch von Rod Stewart.



Kilmainham Gaol

Das Gefängnis besteht aus zwei Hauptflügeln, die sich in ihrem Charakter stark unterscheiden. Der Ostflügel wurde 1864, während der viktorianischen Gefängnisreform, eröffnet und ist fast identisch mit dem britischen Pentonville-Gefängnis, in dem schon Oscar Wilde einsitzen musste: ein hoch aufragender, dreistöckiger Raum, der von Laufstegen umgeben ist, zu denen sich die Zellen öffnen. Architektonisch immerhin sehr beeindruckend.


Ein Ort des Todes mitten in Dublin

Irland, Dublin, Kilmainham Gaol, Eingang zur Gefängniszelle

Der ältere Teil des Gefängnisses im Westflügel ist erhalten geblieben, ein dunkler und klaustrophobischer Korridor mit Zellen, in denen Gefangene auf ihre Hinrichtung warteten. Der Korridor führt direkt zum Hof, dem Schauplatz vieler Hinrichtungen.

1803 wurde Robert Emmet, der Anführer einer unglücklichen Rebellion gegen die Engländer, in Kilmainham inhaftiert. Schließlich brachte man ihn zur Thomas Street, wo er gehängt und enthauptet wurde. Der Block, in dem er enthauptet wurde, ist hier ausgestellt, ebenso wie seine Totenmaske.

Emmets berühmte Rede vor seiner Hinrichtung enthielt die folgenden Worte:„Wenn mein Land seinen Platz unter den Nationen der Erde einnimmt, dann, und nicht erst dann, soll mein Epitaph geschrieben werden“.

Viele von denen, die seinen Kampf aufnahmen, folgten ihm ebenfalls nach Kilmainham und fanden ein nicht weniger tragisches Ende. Charles Stewart Parnell, der die Landreformbewegung anführte und sich für die Selbstverwaltung Irlands einsetzte, wurde hier 1881 sechs Monate lang festgehalten.

Zwei Jahre später ermordete eine extreme Gruppe von Republikanern, die als „die Unbesiegbaren“ bekannt waren, Lord Frederick Cavendish, den britischen Sekretär für Irland, und seinen Unterstaatssekretär Thomas Henry Burke im Phoenix Park. Fünf von ihnen wurden im Gefängnishof gehängt.

Irland, Dublin, Innenhof, Kilmainham Gaol

Die berühmtesten bzw. berüchtigtsten Hinrichtungen in Kilmainham waren die von vierzehn Anführern des gescheiterten Osteraufstands von 1916. Sie fanden im Mai 1916 in den frühen Morgenstunden im Stonebreaker's Yard statt. Unter ihnen waren der Anführer des Aufstands Padraig Pearce und sein Bruder William, James Connolly, Eamon Ceannt und Sean McDermott. Starke schwarze Kreuze markieren heute die Orte, an denen sie starben. Der Osteraufstand scheiterte zwar, aber die Hinrichtung der Beteiligten war eine Katastrophe für die Briten, denn sie rief sogar diejenigen auf den Plan, die sich gegen den Aufstand gestellt hatten.

Irland, Dublin, Kilmainham Gaol Gefängniszelle

Kilmainham und der irische Bürgerkrieg

Der Vertrag zur Gründung des irischen Freistaats beinhaltete einen Kompromiss - Freiheit für 26 Grafschaften, aber die Beibehaltung der sechs Grafschaften in Nordirland unter britischer Herrschaft. Dies führte zu einer erbitterten Spaltung zwischen den Führern des neuen Staates und ihren ehemaligen Kollegen, die gegen den Vertrag waren - die Saat für den irischen Bürgerkrieg war damit ausgebracht.

Während des Bürgerkriegs wurden in Kilmainham republikanische Gefangene, die gegen den Vertrag waren, hingerichtet, diesmal nicht von den Engländern, sondern auf Befehl ihrer Bürgerkriegsgegner, der Regierung des irischen Freistaats. Unter ihnen befanden sich vier junge Männer aus Dublin, deren einziges Verbrechen der Besitz von Schusswaffen war. Es ist eine traurige Tatsache, dass in Kilmainham in den wenigen Jahren des Bürgerkriegs mehr Menschen von ihren irischen Mitbürgern hingerichtet wurden als in den mehr als 120 Jahren davor. Selbst heute noch wird diese Wahrheit oft beschönigt und wenig darüber gesprochen. Diese Hinrichtungen hinterließen ein dauerhaftes Erbe der Verbitterung, das in der irischen Politik bis heute nicht weit unter der Oberfläche zu finden ist.


Éamon de Valera - der letzte Gefangene

Eamon de Valeras Gefängniszelle, Irland, Dublin, Kilmainham Gaol

Der IRA-Führer de Valera war der letzte Gefangene, der in Kilmainham inhaftiert wurde; später wurde er Premierminister und Irlands Präsident. Nach seiner Freilassung wird das Gefängnis verriegelt und im Wesentlichen dem Verfall überlassen, und zwar von einer Bevölkerung, die selbst die Erwähnung des Namens hasste. Die Folter und die Ungerechtigkeit wollte man vergessen. Mehr und Ungewöhnliches über de Valera: https://www.9lebenverlag.com/post/irland-und-rugby-von-regeln-und-ministerpr%C3%A4sidenten


Erst in den 1960er Jahren gibt es erste Bemühungen, die Anlage zu erhalten und wieder für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Rechtzeitig zum 50. Jahrestag des Aufstands von 1916 konnte Kilmainham Gaol wieder eröffnet werden. Schnell entwickelte sich dieser düstere, tragische Ort zu einem beliebten Ziel in Dublin.


Besuch des Kilmainham Gaol

Kilmainham ist das ganze Jahr über geöffnet und vom Stadtzentrum Dublins aus mit den Buslinien 51B, 51C, 78A, 79, 79A leicht zu erreichen.

In der Hochsaison und an den Wochenenden gibt es hier das ganze Jahr über lange Schlangen. Das Ticket kann und sollte man vorab online buchen, siehe https://kilmainhamgaol.admit-one.eu/index.php?s=OPW_KILM&p=calendar&ev=TOUR&language=ENG

Der Besuch beinhaltet wie gesagt eine ausgezeichnete, sachkundige und unverzichtbare Führung. Es gibt auch einige sehr gute interaktive audiovisuelle Darstellungen, die sowohl erhellen als auch zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel wird die Geschichte der Todesstrafe in ausgewogener Weise dargestellt, mit Argumenten für und gegen ihre Anwendung in der heutigen Zeit, und die Besucher können dafür oder dagegen stimmen.

Besuche mit Kindern

Ein Besuch im Kilmainham Gaol ist kaum als Spaß zu bezeichnen, für jüngere Kinder könnte er sogar beängstigend sein, und manche finden die "Geschichtslektionen" vielleicht ein wenig langweilig. Für ältere Kinder und vor allem für diejenigen, die sich für Geschichte oder das „Gruselige und Blutrünstige“ interessieren, ist der Besuch allerdings sehr interessant und es gibt viel zu lernen.


Fazit: So oder so ein ungemein interessantes und lehrreiches Ziel mitten in Dublin.

Buch Irland wie es nicht im Reiseführer steht von Lisalina Sagner


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